Jubel beim FC Bayern. Eine sagt Servus. Simone Laudehr (li., Meisterschale in der Hand) beendet ihre Karriere.
Ⓒimago / OneFootball
Ein letzter Ballkontakt, einmal noch den Ball vorlegen und dann? Einfach abziehen. Genau das machte Lea Schüller am vergangenen Sonntag im letzten Saisonspiel gegen Eintracht Frankfurt. Aus einem letzten Schuss wurde ein letztes Tor. Aus einem letzten Tor wurde eine letzte Aktion der Saison. Und aus der letzten Aktion der Saison. Nun ja, aus dieser wurde ein großer Jubel und Erleichterung. Der FC Bayern München wurde mit dem letzten Schuss nach 1976, 2015 und 2016 zum vierten Mal Deutscher Meister. Wichtig ist, nicht durch den letzten Schuss, denn bereits vor der letzten Minute machten die Bayern alles klar. 3:0 stand es da schon, nach einem Doppelpack von Linda Dallmann und einem Eigentor der Frankfurterinnen. Und auch durch das letzte Spiel sind die Bayern nicht Meister geworden, nur dort entschieden hat sich alles. Die Bayern sind wegen einer Saison Meister geworden, die man nicht so leicht vergessen sollte und kann. Was sie dieses Jahr hingelegt haben, ist Meisterklasse.
Zu sagen, wann, wie und wo die Bayern Meister geworden sind, ist schwer. Ja, selbstverständlich am Sonntag bei einem Sieg gegen Eintracht Frankfurt in München auf dem FC Bayern Campus. Aber hier geht es ja nicht um genaue Daten. Vielmehr geht es ums interne Klima, die Transfers, die vielen Tore, die schiere Unbesiegbarkeit zu Beginn der Saison.
Als Antwort müssten wir also gar nicht beim ersten Spiel der Saison beginnen, als die Bayern mit einem 6:0 gegen den SC Sand in die Liga starteten. Nein, das war nur der Anfang dieser Wahnsinns-Saison. Aber um den Meistertitel zu erklären gehen wir weiter zurück. Ein paar Jahre vielleicht. Genau festlegen können wir uns nicht, denn wir sind ja nicht jeden Tag dabei, wenn Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden beim FC Bayern. Aber dennoch, eine kleine Zeitreise ist schon angebracht. Zurück also zum Ende der letzten Saison. Bayern ist auf dem zweiten Platz. Der VfL Wolfsburg holt die Meisterschaft zum vierten Mal in Folge und scheint schier unantastbar an der Spitze der Frauen-Bundesliga. Doch der FCB? Der möchte noch mehr angreifen, möchte auch mal oben stehen. Und sich nicht mit dem zweiten Platz zufrieden geben. Wie schon die letzten Jahre kommen also auch dieses Jahr weitere Top-Spielerinnen nach München. Es gehen ja auch einige. Arsenal holt mehrere Spielerinnen. Kapitänin Melanie Leupolz geht nach Chelsea. Es fehlen also Leistungsträgerinnen. Doch der FCB kauft gut ein. Hanna Glas kommt. Lea Schüller kommt. Wir alle wissen, wie wichtig sie waren in dieser Saison. Seien es die vielen Liga-Tore von Schüller oder das „Champions-League-Tor der Saison“ von Glas. Auch Klara Bühl kommt. Marina Hegering, Sarah Zadrazil, Viviane Asseyi oder Ivana Rudelić. Sie alle haben so viel geleistet in dieser Saison. Aber noch wichtiger ist, dass sie zur Mannschaft gefunden haben. Sie verkörpern geradezu das „Bayern-Gen“ auf dem Fußballfeld. Man sieht nicht nur auf dem Platz den starken Zusammenhalt der Mannschaft. Das blinde Verständnis, die perfekte Absprache, die gegenseitige Unterstützung. Das alles ist es, was den FC Bayern auch zum Meister gemacht hat, neben den ganzen Toren selbstverständlich. Denn auch auf diese müssen wir eingehen. Das Torverhältnis ist enorm. 82:9. Ja, richtig gelesen. Weniger als zehn Tore haben sie kassiert, die Bayern. Und dafür aber mehr als 80 geschossen. Eine Statistik, die sich mehr als sehen lassen kann. Und auch die Bilanz der Siege, Unentschieden und Niederlagen ist beeindruckend. 20 Siege. Ein Unentschieden. Eine Niederlage. Eine! Das ist nicht Glück. Das ist Können, Wille und Leidenschaft. Wo wir schon beim nächsten Grund für die Münchner Meisterschaft sind. Es ist selbstverständlich nicht gesagt, dass alle anderen Teams der Bundesliga diese Eigenschafen nicht verkörpern, ganz im Gegenteil. Bei jedem Spiel ist die Spannung, Liebe und Begeisterung zu sehen. Doch beim Blick auf den FC Bayern ist es noch einmal etwas Klitzekleines anderes. Es ist diese unglaubliche Gier nach Erfolg. Es ist der Wille jeder einzelnen Spielerin. Sydney Lohmann ist das beste Beispiel. Man könnte sie jedes Spiel zur „Player of the Match“ wählen, auch wenn sie gerade nicht getroffen und/oder vorbereitet hat. Ihre Art, die Bälle zu spielen, die Räume zu deuten und am wichtigsten, ihre Art, die Mitspielerinnen anzufeuern und anzutreiben, ist unbeschreiblich. Das ist es, was eine Mannschaft ausmacht. Diese Spielerinnen, die in jedes Match gehen, als wäre es das letzte ihrer Karriere. Nur haben die Bayern nicht nur eine auf dem Feld, sondern gleich elf.
Die Freude und Erleichterung steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Leistungsträgerin Sydney Lohmann (hinten) umarmt Linda Dallmann, die die Bayern mit einem Doppelpack im letzten Spiel auf Meisterkurs brachte.
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Und, wenn wir schon mal beim „letzten Spiel“ sind. Auch eine traurige Sache gibt es am Meisterschafts-Tag. Simone Laudehr verlässt den FC Bayern München. Nicht immer stand sie in der Startelf. Und dennoch zeigte sie, was sie kann. Egal ob in der Abwehr, im Mittelfeld oder im Sturm. Egal, wo Cheftrainer Jens Scheuer sie aufstellte, sie spielte und überzeugte. Aber vor allem neben dem Platz ist Laudehr eine, die Sympathie verkörpert. Tränen hatte sie in den Augen. Aber es waren unterschiedliche Tränen. Vor dem Spiel die der Traurigkeit, den geliebten Verein und den geliebten Fußball hinter sich zu lassen. Und nach dem Spiel, Tränen der Freude, der Erleichterung und wahrscheinlich doch auch noch ein wenig der Traurigkeit. Doch vor allem der Freude. Endlich ist Simone Laudehr Deutsche Meisterin. Zehnmal war sie Meisterschaftszweite, doch nie erste. Jetzt ist sie es. „Der Meistertitel kommt für mich direkt hinter dem Weltmeistertitel 2007. Darauf habe ich jahrelang hingefiebert.“ Rauszuhören ist nicht nur, was für eine tolle Fußballerin sie ist. Hallo? Weltmeisterin? Das können nicht viele von sich behaupten. Rauszuhören ist vor allem die Bedeutung der Meisterschaft. Nicht nur für sie, sondern für den FC Bayern. Und auch nicht nur für den FC Bayern. Im Grunde für alle Fußballerinnen. Denn, um es etwas überspitzt zu sagen, in der Frauen-Bundesliga bleibt die Meisterschaft bis zum letzten Spiel spannend, anders als bei den Männern unter All-Time-Meister FCB. Bei den Frauen bedeutet es etwas, die Meisterschale am Ende in die Lüfte zu stemmen. Vielleicht sogar ein bisschen mehr. Ob es in Zukunft auch bei den Frauen so ausschaut, wie bei den Männern, bleibt ungewiss. Doch zu erwarten ist es nicht. Denn trotz einer unbeschreiblich starken Saison des FC Bayern München, wird auch nächstes Jahr der Meistertitel kein Zuckerschlecken. Der VfL wird angreifen, die TSG wird immer besser und auch die anderen Teams verbessern sich stetig. Zum Glück, denn was wäre der Fußball ohne Spannung, Leidenschaft und Bauchkribbeln bis zum letzten Pfiff der Saison?