Kaum wahrgenommen wird es, das arme Virus
Den Henkelpott im Visier: Der FC Bayern und der VfL Wolfsburg haben dieses Jahr gute Chancen auf den internationalen Titel in der Champions League.
ⒸSteffen Prößdorf, Wikipedia
Budapest, Rom, Turin. Einmal das Urlaubs-Gefühl zurück bitte. Ach, wie gerne wir dort wären. Ein Strandurlaub mit Palmen und Sonne oder ein Städtetrip mit Kultur und Party. Wie schön es damals war – vor Corona. Als Reisen noch normal war und wir träumen konnten von schönen Zielen. Heute ist es, zumindest für den Otto Normalverbraucher, undenkbar - die Pandemie macht uns einen gewaltigen Strich durch die Rechnung.
Doch für Profifußballer*innen ist es weiterhin das normalste der Welt. Erst jüngst reisten die Männer des FC Bayern München nach Katar, für eine Klub- WM und den sechsten Titel der Saison. Ist das wirklich notwendig? Ein bisschen Geld hier, ein bisschen Spaß da und ein wenig Corona dort. Wobei, das Virus war nur beim ein oder anderen eine lästige Infektion, keine Hürde. Kaum wahr genommen wird es das arme Virus im Profifußball. Klar, die Fans fehlen in den Stadien – doch viele Probleme gibt es vor allem in Sachen Reisen nicht.
Es wird also gestritten und diskutiert im Profifußball, wie man mit den Spielen und Reisen umgehen sollte. Solange das Ganze national und ligaweit bleibt ist es kein Problem. DFL-Chef Seifert sagt dazu nur „Es gibt keine Extrawürste für die Bundesliga.“ Doch wie weit gehen die Vereine und Verbände in internationalen Angelegenheiten? Auch hier sollte es keine Extrawürste geben. Doch gibt es die? „Heimspiele“ finden nun nicht mal mehr im eigenen Land statt - Leipzig gegen Liverpool in Budapest und Atletico Madrid gegen Chelsea in Bukarest.
Ähnlich wie bei den Männern ist die Lage in der UEFA Women´s Champions League. Die Bayern reisen nach Kasachstan und die Wölfinnen müssen nach Norwegen. Nun lässt sich sagen, „ok, solange die Corona-Lage dort stabil ist, kann man da schon mal ein Auge zudrücken.“ Das stimmt. Letztendlich ist es ja der Job einer jeden Profifußballerin zu reisen und zu spielen.
Darüberhinaus sind diese Reisen kein Urlaub, sondern Dienstreisen, welche auch die Otto Normalverbraucher unternehmen dürfen. Da die Spielerinnen nicht nur bei internationalen Reisen, sondern auch in der Heimat in einer gewissen Blase der Isolation leben, haben die Flüge durch Europa wenig Einfluss auf Infektionszahlen. Sollte dennoch mal ein Corona-Test positiv ausfallen, so kann schnell mal ein Spiel verschoben werden oder die gesamte Mannschaft in Quarantäne gesteckt werden. Glücklicherweise gibt es also im Profifußball ein funktionierendes Konzept, das bei den Frauen teils strenger gehandhabt wird, als bei den Männern.
Doch auch die Frage, wie verantwortungsvoll, vorbildhaft und notwendig eine Reise zu Corona-Zeiten ist, ist legitim und gerechtfertigt. Es gibt also unterschiedliche Meinungen.
Die Gesundheitsexpert*innen, allen voran Karl Lauterbach (SPD), lehnen die Spiele größtenteils ab, „weil sie die Glaubwürdigkeit unserer Regeln infrage stellen“ (gegenüber Sport1 zum Männer-Fußball). Und auch Reporter*innen oder Kommentierende sehen die bizarren Ausnahmen als „No-Go“ und sagen ab. Natürlich ist es der Männerfußball, der im öffentlichen Diskurs steht, doch auch die Profifußballerinnen profitieren von Regelungen der UEFA.
Während sich die Frage stellt, ob denn Profifußballerinnen besser gestellt sein sollten als die Gesellschaft, die Momentan zu Hause vor den Bildschirmen im Home-Office sitzt, kommt hinzu, dass auch unter normalen Umständen eine fünf Stunden Anreise für Spielerinnen eine große Hürde ist, Corona erschwert das Ganze nochmal. Es kommt also wieder die Frage auf, wieso denn dann überhaupt reisen, wenn doch eh schon Corona ist? Gesundheitlich ist es ein Risiko, für Spielerinnen und Betreuende. Letzte Woche noch lag die 7-Tage-Inzidenz Norwegens bei 45,3 und in Kasachstan bei 30,1 (Stand: 27.02.2021 https://www.corona-in-zahlen.de/weltweit/).
Doch vor allem in sportlicher Hinsicht ist es ein wichtiger Schritt und eine gute Entscheidung, dass Profifußballerinnen spielen und quer durch Europa reisen dürfen. „Das Wir-Gefühl kommt immer mehr an. Es ist zwar eine Wahnsinns-Reise, doch das schweißt unsere Mädels noch mehr zusammen und lässt sie das zeigen, was sie gerade jedes Spiel auf dem Platz leisten“, so Bianca Rech, Sportliche Leiterin der FCB-Frauen via Clubhouse am 18.02.2021.
Der Bayern-Offiziellen zufolge ist es ein Gegner, der „sportlich machbar“ ist, die Anreise aber einen „Schreikrampf“ ausgelöst habe.
Was ist die Lösung? Hier spalten sich die Meinungen. Erstens, weil auch die Profi-Frauen ihren Beruf ausleben sollen und möglichst ungehindert dem Sport weiterhin folgen werden. Und, auch hier spielen finanzielle Entscheidungen des Turnier-Trägers, der UEFA, mit ein.
Doch die Kehrseite sieht anders aus. Man muss nicht fliegen und international spielen zu Corona-Zeiten. Wenn Fans zu Hause sitzen, müssen Sportler*innen nicht auf Teufel komm raus jede Möglichkeit dem Corona-Alltag zu entkommen wahrnehmen. Oder doch?
Champions League: Wäre ein Boykott die richtige Lösung?
Viele Fans und Beteiligte fordern einen Boykott der Profivereine. Wie dieser aussehen würde ist nicht ganz eindeutig, doch zumindest wäre es eine Absage oder ein Verschieben der geplanten internationalen Spiele. Zusammen ist hier das Stichwort. Die Frauen des FC Bayern werden wohl kaum als einziges Team sagen, ´Nein, hieran nehmen wir nicht mehr teil.` Doch ein gemeinsamer Vorstoß der Teams könnte das Resultat schon ganz anders aussehen lassen.
Schlussendlich können wir froh sein, dass die Frauen immerhin spielen dürfen und nicht nur die Männer im Rennen um den Henkelpott weiterhin das Grün bespielen. Was ist Deine Meinung? Profifußballerinnen trotz Pandemie weiterspielen und -reisen lassen?