Fritzy Kromp, Trainerin der U17-Juniorinnen beim DFB.
ⒸDFB/Thomas Böcker
Wir stehen im Tunnel. Gleich geht das Spiel los. Die Spielerinnen kommen langsam aus den Kabinen und warten auf die Schiedsrichterinnen, bis sie endlich raus können ins Stadion mit den Zuschauenden und der tollen Atmosphäre.
Als Einlaufmädchen ist es ein anderes Gefühl, das man empfindet, als eine Nationalspielerin in diesem Moment. Es sind zwei völlig unterschiedliche Welten und Personen, die gleich gemeinsam Hand in Hand das Stadion betreten. Die eine ist bereits Nationalspielerin, hat ihr Hobby, das Fußballspielen, zum Beruf gemacht und ist gerade auf bestem Weg, ein weiteres Spiel für die eigene Nation zu bestreiten.
Neben ihr steht ein kleines Mädchen, das zur Schule geht, nachmittags mit Freunden Fußball spielt und gerne mal am Wochenende ein Spiel verfolgt.
Und dennoch verbindet die beiden etwas Besonderes: Beide kennen den Traum, Profifußballerin werden zu wollen. Die eine ist es, die andere wird es.
Doch was braucht es, um diesen Traum zu erfüllen? Genügen Freude und Lust am Fußballspielen? Ist es das außergewöhnliche Talent, der Torhunger, der Teamgeist, die Dribbelkunst oder das Durchhaltevermögen?
Bei jeder Spielerin mag es eine unterschiedliche Kombination aus all dem sein, die letztendlich den Traum in Realität verwandelt. Doch es gibt keine eine einfache Anleitung, wie zum Beispiel:
„So wirst Du Nationalspielerin und Profifußballerin“
Wissen wird man es wohl nie so richtig, aber wir haben eine gefragt, die täglich daran arbeitet, neue Nationalspielerinnen auszubilden, sie auf ihrem persönlichen und sportlichen Weg zu begleiten und ihnen Tipps und Tricks zeigt, um den deutschen Frauenfußball auch in Zukunft erfolgreich zu gestalten.
Friederike „Fritzy“ Kromp ist Trainerin der DFB U17-Juniorinnen. Ab 2013 war sie Co-Trainerin der Juniorinnen, seit 2019 ist sie die verantwortliche Trainerin der jungen Nachwuchsspielerinnen. Auch sie kennt keine exakte Formel für den Weg zur Profifußballerin, aber die Arbeit, die auf und neben dem Platz dahintersteckt, kennt sie so gut wie kaum eine andere.
Nach einer frühen schwerwiegenden Verletzung entschied sich Fritzy für den Trainerinnenjob. 2011 nahm sie als eine von zwei Frauen am Fußball-Lehrer-Lehrgang der Hennes-Weisweiler-Akademie teil und erhielt anschließend die UEFA Pro Lizenz.
Schnell kam sie zum Deutschen Fußball Bund (DFB) und wirkt seither in der Nachwuchsarbeit im deutschen Frauenfußball mit.
In diesem Interview erzählt Fritzy von ihren Erfahrungen als Trainerin und ihrer Arbeit beim DFB. Zudem kommen wir auf Fragen, was es für „die erste Trainerin in der Bundesliga“ braucht und wie wichtig Ehrlichkeit und Kommunikation im Leistungssport sind.
In Ihrem Element: Fritzy Kromp beim Training mit den DFB-Nachwuchsspielerinnen.
Ⓒimago / OneFootball
Flankengöttinnen (FG): Fritzy, Du bist das Sprungbrett für junge Spielerinnen in die Nationalmannschaft. Beim DFB wird alljährlich aussortiert, die Leistung steht im Vordergrund. Wie schwierig ist es, einer Spielerin eine Absage zu vermitteln?
Fritzy Kromp (FK): Das ist Teil des Jobs und leider der unschöne. Spaß macht es mir nicht, aber es gehört eben zum Trainerinnenjob dazu.
FG: Hast Du dafür ein Geheimrezept?
FK: Wichtig sind Ehrlichkeit, Respekt und kontinuierliches Feedback, das ganze Jahr über. Nur durch eine stetige und offene Kommunikation können sich die Spielerinnen weiterentwickeln, wissen, wo sie stehen und werden am Ende nicht überrascht. Für mich spielt auch die persönliche Bindung eine große Rolle. Ich versuche im Laufe unserer Zusammenarbeit ein Vertrauensverhältnis zu meinen Spielerinnen aufzubauen.
FG: Das Scheitern gehört wohl oft dazu. Was kannst Du Deinen Spielerinnen raten, aber auch kleinen Mädels und Jungs, die noch nicht leistungsorientiert kicken?
FK: Jungs und Mädels sollen Spaß am Fußball haben. Das ist die Hauptsache. Große Träume gehören definitiv dazu. Aus meiner Sicht erreichst du deine Ziele nur, wenn du Träume hast. Es gibt keine Sportler*innnen-Karriere, in der es keine Misserfolge gab – die sind wichtig, denn daraus wächst du. Entscheidend ist nur, wie du damit umgehst und wie du weitermachst. Immer weitermachen und daraus lernen ist in meinen Augen der Schlüssel.
FG: Wie wichtig ist die Zusammenarbeit der Trainerinnen und Spielerinnen mit Teampsycholog*innen?
FK: Seit ungefähr zwei Jahren arbeiten wir jetzt in allen Jugendmannschaften des DFB mit Teampsycholog*innen zusammen. Sie sind neutrale Ansprechpersonen, die völlig losgelöst sind von der Bewertungsschiene und damit als unabhängige Vertrauenspersonen agieren. Die Spielerinnen und wir als Trainer*innenteams schätzen diese Zusammenarbeit sehr. Ältere Nationalspielerinnen berichten mir heute, dass sie es selbst gut gefunden hätten, wenn sie diese Unterstützung in ihrer aktiven Zeit bekommen hätten.
Im Leistungssport ist es schon in jungen Jahren sehr wichtig, die richtigen Tools für eine gute Tagesstruktur oder den richtigen Umgang mit Niederlagen und Kritik zu lernen.
FG: Es kommen immer mehr Gespräche auf in Richtung „eine Frau als Trainerin einer Herren-Bundesligamannschaft“. In Deinem Lehrgang waren damals u.a. Markus Gisdol oder Thomas Schneider. Der eine trainierte schon Bundesligateams, der andere steht derzeit an der Seite von Jogi Löw bei der Nationalmannschaft. Wäre dieser Weg denn für Dich auch möglich gewesen im Bezug auf die Strukturen, NICHT auf Leistung?
FK: Zutrauen würde ich es mir definitiv, denn wir haben alle die gleiche Ausbildung und mit meinem Studium der Sportwissenschaften bin ich nochmal zusätzlich qualifiziert. Aber das ist leider nur die Theorie.
In der Praxis ist es allerdings so, dass seit meinem Abschluss der Fußball-Lehrer-Lizenz vor zehn Jahren noch kein Bundesligaverein diesen Schritt mit einer Frau gegangen ist. Mir fallen auf Anhieb mehrere Kolleginnen ein, die aufgrund ihrer Fähigkeiten sofort im professionellen Männerfußball arbeiten könnten. Aus meiner Sicht sollten die Bundesligisten beispielsweise Frauen in den Trainerstab aufnehmen oder verantwortungsvolle Aufgaben in den Nachwuchsleistungszentren geben. Frauen mit Fachkenntnissen gibt es, allerdings zu wenige Entscheidungsträger, die sich mit solchen Optionen befassen und Chancen darin sehen. Wir haben aktuell zu wenige Frauen, die in dem Bereich tätig sind oder sein wollen. Viele Spielerinnen gehen nach dem Ende ihrer Karriere weg vom Fußball. Daher arbeiten wir daran, mehr Frauen im Fußball zu halten.
FG: Woran machst Du die Entwicklung und die schlechte Stellung des Frauenfußballs in Deutschland fest? Am DFB und den Vereinen oder an der Gesellschaft?
FK: Verglichen mit anderen internationalen Verbänden steht der Frauenfußball in Deutschland nicht schlecht da. Es gibt sicherlich Defizite, an denen aber aktuell auf verschiedenen Ebenen und mit verschiedenen Institutionen gearbeitet wird. Ziel ist es, dass Verbände und Vereine künftig noch enger zusammenarbeiten und gemeinsam den Frauenfußball in Deutschland voranbringen.
Ein kleiner Exkurs unsererseits: Katja Kraus, erste Frau im Vorstand eines Fußball-Bundesligisten, dem Hamburger SV (2003 -2011). Die Fußball-Expertin verweist in ihren Sachbüchern auf positive Effekte, wenn Frauen auf Entscheidungsebene, Spielebene und Sonstigem miteingebunden werden. In der Gesellschaft gibt es laut Kraus bereits eine Transformation, und diese muss nun von Verbänden und Vereinen mitgetragen und forciert werden. Die Autorin Kraus kann hier gut zitiert werden: „Es gibt zwei Institutionen, die mit aller Kraft versuchen gegen Frauen in Entscheidungspositionen zu wirken. Das ist die katholische Kirche und der deutsche Fußball.“
FG: Im deutschen Amateur-Frauenfußball gibt es bisher keine A-Jugend, nach der B-Jugend kommt sofort der Frauenbereich. Wie würde eine solche A-Jugend den Frauenfußball verändern?
FK: Nun, das Problem ist schlichtweg, dass es zu wenige Spielerinnen gibt. Die Masse fehlt für den Spielbetrieb. Ergänzend dazu würde die Einführung einer A-Jugend im Frauenfußball auch einen Systemwechsel in allen Ligen in den Verbänden und Kreisen mit sich bringen. Daher stellt sich für mich eher die Frage, ob die Einführung einer weiteren Liga im U-Bereich den Frauenmannschaften nicht eher schaden würde, da Frauenteams die talentierten Spielerinnen aus der Jugend brauchen. Das zeigt auch der Rückgang der gemeldeten Frauenmannschaften in den vergangenen Jahren. Die Anzahl der aktiven Spielerinnen ist aktuell nicht groß genug, um mit der A-Jugend eine weitere Liga zu etablieren.
Alternativ zur Einführung einer A-Jugend wäre aus meiner Sicht die Bildung einer weiteren Frauenmannschaft sinnvoller. Sofern es genug fußballspielende Mädchen und Frauen in einem Verein gibt, könnte ein junges Team erstellt werden, in dem die Spielerinnen aus dem älteren B-Jugend-Jahrgang, den A-Jugend-Jahrgängen und zusätzlich flexibel auch ein paar ältere, erfahrenere Führungsspielerinnen zusammenspielen.
Vorab schon mal vielen Dank an Fritzy für ihre Kooperation bei diesen wichtigen Themen.
Der nächste Teil des Interviews kommt nächsten Donnerstag. Hier konzentrieren wir uns mehr auf die Juniorinnen und deren Werdegang beim DFB.
Fritzy Kromp gibt demnächst ein Live-Interview auf unserem Instagram-Kanal @flankengoettinnen. Unbedingt einschalten!
Im Live-Interview gehen wir erneut verstärkt auf den Frauenfußball in Deutschland ein und stellen Analysen. Wie geht es dem Frauenfußball in Deutschland? Welche Veränderungen müssen her? Was wird bereits getan? Wie weit hat das Ausland Deutschland inzwischen überholt?
Zudem könnt auch ihr Eure Fragen an Fritzy selbst stellen. Schickt sie uns im Vorhinein oder fragt live während des Interviews!