Fußballfrauen an die Macht – Es wird Zeit

Stephan Grimm • 28. Oktober 2021

Einblicke in eine Doku:

Fußballfrauen – Zeit für die Offensive

Die Zeit ist reif: Fußballfrauen, unter anderem Laura Freigang (li.) fordern mehr Frauen in entscheidenen Spitzenpositionen im Fußball. 

© Michael Memmler

Wie steht es ganz aktuell um den Frauenfußball in Deutschland? Was meinen führende Vertreterinnen aus dem deutschen Frauenfußball dazu? Und welchen Weg sollten die Verantwortlichen in Vereinen und Verbänden und wir alle in Zukunft gehen, um längst notwendige Veränderungen einzuleiten, um den Sport, den wir alle so lieben noch weiter nach vorne zu bringen?

Zu diesen und vielen weiteren Fragen äußern sich in einer sehenswerten Dokumentation auf ZDF Zoom (in der ZDF Mediathek) aktive und frühere Spielerinnen, Trainerinnen und Schiedsrichterinnen aller Alters- und Spielklassen. Zu nennen sind Eintracht-Stürmerin Laura Freigang, Trainerin Silvia Neid oder die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb. Und vor allem viele ganz junge Spielerinnen, für die der Spaß am Kicken im Vordergrund steht. Die Dokumentation ist folglich von sehr vielen persönlichen Meinungsbildern geprägt, die alle eines gemeinsam haben: Es ist nicht alles schlecht im deutschen Frauenfußball – aber es muss sich noch vieles ändern, damit es richtig gut wird.

Deutscher Frauenfußball: Es fehlen die Funktionärinnen

Auffallend und in der Doku auch immer wieder angesprochen: es fehlen die Funkionärinnen, also Frauen, die im DFB entscheidende Positionen ganz an der Spitze besetzen. Denn dort herrschen noch immer die „angry old men“, oft jenseits der Pensionsgrenze, die trotz aller Grabenkämpfe und haarsträubender, noch immer unaufgeklärter Korruptionsaffären lieber den Erzfeind auf dem Präsidentenposten sehen, als die erste Frau. Und das nach 16 Jahren mit Kanzlerin Merkel. Sie alle wollen am liebsten gar keine Veränderungen, und schon gar keine von selbstbewussten Frauen getriebenen, sondern sie kleben eisern an ihren Pfründen. Wie sollte dies auch anders sein, wenn mit jemandem wie Gianni Infantino – manche sagen auch Infantilo – ein Mann mit zumindest zweifelhaftem Charakter (hat er eigentlich einen?) die Fußballwelt beherrscht. Und das färbt ab auf den DFB und seine führenden Vertreter.

Erfrischend an der Doku: es wird nicht rumgejammert, wie schlecht die Bedingungen im DFB im Vergleich zu anderen Spitzenverbänden im Ausland sind, sondern alle Beteiligten zeigen ihre eigenen Visionen und Lösungswege für eine dringend notwendige Revolution im deutschen Frauenfußball auf – strukturell, finanziell und vor allem, was das eigene und fremde Mindset anbetrifft. Und oft geht der Blick ins europäische Ausland, wo beispielweise in Frankreich und England schon vieles besser läuft. Auch dort verdienen die Top-Spielerinnen (noch) nicht so viel, wie ihr männlichen Kollegen. Aber man hat zumindest das Gefühl, dass der Frauenfußball einen anderen Stellenwert einnimmt. Auch dank der aktiven Unterstützung durch die männlichen Kollegen. Neben Ikonen wie Almuth Schult oder Silvia Neid, kommen auch einflussreiche Männer zu Wort. So macht Altmeister Ewald Lienen auf seine ganz und gar unprätentiöse Weise klar, dass er sich wirklich für den Frauenfußball einsetzt. Anders Philipp Lahm, dem man das persönlich zwar ebenfalls glaubt. Peinlich aber der Verweis auf seine Mutter, die als Jugendleiterin jahrelang Mädchenmanschaften beim FT Gern in München verhindert hat, aber das ist ein anderes Thema.

Auch der Männerfußball muss sich verändern

Neben dem mehr als offensichtlichen Gender Pay Gap sprechen alle Beteiligten vor allem über ihren eigenen Weg, der sie geprägt und stark gemacht hat. Selten wird so deutlich und gleichzeitig so wenig anklagend auf immer noch vorhandene Vorurteile verwiesen.
Und vielleicht kann ja der Frauenfußball auch Vorbild für die Männer sein. Denn viele, die in der Dokumentation zu Wort kommen, scheinen zu spüren, dass auch hier Veränderungen dringend nötig sind und das Rad nicht überdreht werden sollte: WM im Winter in Katar (WHAT?), immer neue Schuldenrekorde vor allem im spanischen Fußball, wachsende Entfremdung der Spieler von ihrer wichtigsten Zielgruppe – den Fans. Auch hier wird es nicht ewig so weiter gehen, wie Berufsfunktionäre und Oligarchen es sich wünschen und manchmal denkt man, dass nur ein sehr schmaler Grat zwischen vermeintlichem Erfolg und Totalabsturz liegt.
Schade nur, dass das ZDF die Doku auf den späten Sendeplatz um 22:30 Uhr geschoben hat - trotz absolut jugendfreier Inhalte ;)
Aber vielleicht ändert sich auch das, wenn das ZDF mal eine Chefintendantin bekommt. Man weiß ja nie.
Eine Doku, die aufzeigt, was noch mehr in die Köpfe der führenden Männer und der Gesellschaft muss. Sie steht stellvertretend für alle Frauen, Männer und andere Beteiligte, die dem Frauenfußball in Deutschland endlich die Chance zur Größe zu geben wagen, die er verdient.

Alles in allem absolut sehenswert.

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