Super League auch im europäischen Frauenfußball?

Johanna Grimm • 22. April 2021

Chance und Irrsinn zugleich?


Mal angenommen …

Eine Super League auch im europäischen Frauenfußball? Wäre das denkbar?

„Sie spucken den Fans ins Gesicht“, sagte UEFA-Präsident Aleksander Čeferin am 19. April 2021. Seine Äußerung ist als Entsetzen und Ablehnung gegen die geplante Super League im europäischen Fußball zu verstehen.

Zwölf Top-Klubs in Europa, darunter nur Teams aus Italien, Spanien und England, verkündeten am Montag dieser Woche, die geplante „geschlossene Liga“ durchzusetzen. Das Abstruse daran: Teilnehmen darf nur, wer Gründungs-/Planungsmitglied ist sowie „eingeladene Gastvereine“.

Diese neue Form einer Fußballliga hat also nicht den Sport im Fokus, sondern beschränkt sich hauptsächlich auf eine finanzielle Ausrichtung und Natur. Ist das die richtige Entwicklung für den Fußball als Gesellschaftssport?

Die Reaktionen in europäischen Fußballinstitutionen wie der UEFA sind, um es nett auszudrücken, negativ und entsetzt.

Die UEFA veröffentlichte mit den verschiedenen Ligen aus Europa (Premier League, Serie A und Primera Divisíon) eine Stellungnahme. Der Wortlaut: „Das zynische Projekt stoppen zu wollen.“ Zudem plant die UEFA mit einem Bann der Spieler und Klubs, die an der neu gegründeten Liga teilnehmen. Dabei sind alle Spieler von allen Wettbewerben auf nationaler, europäischer und weltweiter Bühne ausgeschlossen, darunter fallen auch die Welt- und Europameisterschaften.

Und auch aus Deutschland kommt negative Kritik. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) und Geschäftsführer Christian Seifert „lehnen das Konzept einer europäischen Super League ab“. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) reagiert ähnlich: „Der DFB positioniert sich klar gegen das Konzept einer europäischen Super League. Im Fußball muss es immer um die sportliche Leistung gehen. Sie bestimmt über Auf- und Abstieg sowie die Qualifikation für die jeweiligen Wettbewerbe. Die wirtschaftlichen Interessen einiger weniger Klubs dürfen nicht das praktizierte solidarische Miteinander des Fußballs aufkündigen.“

Gerade die Konzentration auf die Kommerzialisierung, jeder Verein erhält als Startkapital über drei Milliarden Euro, und die weitere Privatisierung des Fußballs, wobei Leistung und Faninteressen nicht geachtet werden, werden von Verbänden, betroffenen Spielern und Trainern scharf kritisiert. Und auch Fans lehnen den Plan ab, da der Sport nicht mehr im Zentrum steht. Der Fußball ist somit kein Volkssport mehr, sondern eine private Angelegenheit, bei der finanzielle Machtinteressen die Oberhand erhalten.

Nun ist uns klar, dass es hier um ein Thema geht, bei dem der europäische Männerfußball diskutiert wird. Der Frauenfußball hat damit in erster Linie wenig zu tun, zumal es bisher nur einen europäischen Wettbewerb, die UEFA Women´s Champions League, gibt. Dennoch wurde das Konzept einer Super League im Frauenfußball offen gehalten und in Erwägung gezogen.


Nadine Keßler, ehemalige Nationalspielerin und Europas Fußballerin und FIFA-Weltfußballerin des Jahres 2014, äußerte sich in ihrer Rolle als UEFA-Delegierte zu einer Super League und eine Variante für den Frauenfußball. 

Keßler sieht, wie der „Kicker“ berichtete, die Planungen der Super League auch im europäischen Frauenfußball als „direkte Bedrohung“. Dabei verweist sie auf die geplanten Reformen in der Champions League der Frauen. Weiter beschreibt sie das Vorhaben der Gründungsmitglieder und Initiatoren als „verheerend“ Auch sie sieht die UEFA Women’s Champions League als zukunftsfähiges Konzept für den europäischen Frauenfußball. 

Super League auch im europäischen Frauenfußball –

Unser Zukunftsszenario

Doch was, wenn auch im Frauenfußball die Kommerzialisierung die Oberhand gewinnt? Ist das überhaupt möglich? Und wird, wenn dem nicht so ist, der Frauenfußball die Zukunft des Fußballs an sich sein?

Um diese Fragen zu beantworten muss eine kleine Analyse des europäischen Frauenfußballs angeführt werden. Ja, in den letzten Jahren hat sich einiges getan, gerade in Sachen Finanzierung und Professionalisierung. Das europäische Ausland investiert viel in die eigenen Frauenmannschaften, Deutschland zieht allmählich nach. Und dennoch gibt es weiterhin nur einen übergreifenden europäischen Wettbewerb, die Ligen werden oftmals nicht von privaten Investoren oder wirtschaftlich Verbänden geführt. Auf den Punkt gebracht: Die finanzielle Situation ist eine ganz andere als im Männerfußball. Da der Frauenfußball weniger öffentliche Aufmerksamkeit generiert, sind auch Werbeeinnahmen, Fernsehgelder, Sponsorenverträge und sonstige finanzielle Machenschaften geringer und minimal im Vergleich zu den Männern.

Mal angenommen diese Situation ändert sich. Ab nun an steigt das gesellschaftliche Interesse am Frauenfußball enorm, die Gelder fließen und fließen. Dann wäre, vorausgesetzt mehrere erfolgreiche europäische Teams gründen weiterhin ernstzunehmende Frauenmannschaften und die Konkurrenz auf nationaler und internationaler Ebene steigt an, auch der Frauenfußball ein lukratives Geschäft für Investoren. Wie die Reaktion hier ausfallen würde, ist selbstverständlich nicht vorherzusagen. Doch neben vieler Kritik könnte es auch eine potentielle, wenn auch sehr kleine Chance für den Frauenfußball darstellen. Denn mehr Geld und mehr Aufmerksamkeit veranlasst automatisch höhere Gehälter und immense Ablösesummen, dann auch für Frauenfußballerinnen.

Super League: Der Frauenfußball wird das neue Normal

Doch ist es das, was wir als Fans und Spielerinnen, wollen? Nun ja, mehr Geld klingt erstmal nicht schlecht, sondern eher verlockend.

Auf der anderen Seite muss der Blick auf die eigentliche Intension des Fußballs gerichtet werden. Für die meisten Fans und Beteiligten ist der Fußball viel mehr als nur ein Sport. Es ist ein Ort, der gesellschaftliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb der eigenen Fangemeinde an den unwichtigen Rand rückt. Der Fußball gilt als Möglichkeit, Identitfikation mit bestimmten Vereinen, Spielern und Werten zu begründen. Man könnte fast sagen, für manch einen gilt der Fußball als Religionsersatz. Denn hoffen, glauben, jubeln, Gemeinsamkeit verspüren und Rückschläge hinnehmen ist der Kern dieses Sports. Aus diesen Gründen sollte der finanzielle Aspekt an zweiter Stelle stehen.

Wenn nun der Männerfußball sich weiterhin (es ist ja nicht so, dass vor der Gründung der Super League das Finanzielle keine Rolle gespielt hat) für diesen Weg entscheidet, wird der Frauenfußball dann zum neuen Fußball?

Möglich ist es, definitiv. Denn eine breite Masse von Fans und Begeisterten werden dieses Gefühl nach Gemeinsamkeit und Freude weiterhin als erstrebenswert erachten.

Daher ist der Vorstoß, den auch Nadine Keßler vertritt, der richtige Schritt, um den deutschen und europäischen Frauenfußball nachhaltig finanziell und lukrativ für alle Beteiligten gestalten zu können.

Dieser Artikel ist Teil unserer Utopie-Reihe. Dabei spielen wir Zukunfts-Szenarien durch, die eine mögliche Wendung oder Entwicklung im Frauenfußball darstellen. Wichtig ist, dass diese NICHT eintreten muss und die Informationen NICHT wahr oder richtig sind, sondern als Fundament für eine Fantasie gelten.

Denn alte gesellschaftliche Muster brechen wir nur auf, indem wir kritische Themen ansprechen, den Staus Quo überdenken und neu definieren. Das ist das Ziel von Flankengöttinnen. Wir schaffen eine Plattform, die es dem Frauenfußball erlaubt, an gesellschaftlicher Anerkennung zu gewinnen und nicht nur auf Klischees und Vorurteile fokussiert ist.

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