Eine Frau als DFB-Präsidentin - Geht das?

Jonathan Krech • 27. Mai 2021

Mal angenommen...

Der DFB - von einer Frau geführt?

ⒸRaphael Boll

Die Affäre Fritz Keller hat in Fußballdeutschland für einigen Wirbel und viele Diskussionen gesorgt. Der siebte DFB-Präsident innerhalb der letzten zehn Jahre hat nun vor gut zwei Wochen als Reaktion auf diese Kontroverse sein Amt zur Verfügung gestellt. Die größte Diskussion in diesem Zusammenhang: Wer wird sein Nachfolger? Vielleicht sein Kollege und Kritiker Rainer Koch, der bereits zum dritten Mal die kommissarische Führung des DFB für die Übergangszeit übernommen hat? Viele halten ihn für den logischen Nachfolger. Aber vielleicht wird es auch gar keinen Nachfolger geben – sondern eine Nachfolgerin!

Ganz recht, auch diese Möglichkeit sollte der DFB in Betracht ziehen. Denn spätestens seit der Affäre um die Vergabe der WM 2006 wird im Deutschen Fußball Bund regelmäßig von struktureller und personeller Veränderung geredet, man wolle den Verband moderner und transparenter gestalten und in neuem Glanz in die Zukunft führen. Ein Teil dieses Plans war auch Fritz Keller. Und vor ihm Reinhard Grindel. Beide sind jedoch an eigenen Fehltritten gescheitert. So wie schon einige vor ihnen. Da drängt sich doch die Frage auf, ob die „strukturellen und personellen Veränderungen“ tatsächlich so viel gebracht haben. Oder überhaupt ernsthaft umgesetzt wurden. Denn die letzten Jahre und Jahrzehnte zeigen: Immer wurde der DFB von Männern geführt, immer waren sie bereits älter, immer wieder haben es einzelne geschafft vor die Wand zu fahren. Warum nicht endlich ernsthaft etwas Neues. Warum nicht ein bisschen Zukunft wagen?

WM, EM, Olympia - Wo führt das hin?

Man stelle sich einmal vor, es würde tatsächlich eine Frau an die Spitze des DFB gewählt. Eine Frau, die frische Ideen und ein neues, aber nicht zu neues Gesicht mitbringt, die weiß was der Fußball braucht: Menschen! Menschen, die sich engagieren, Menschen die als kleiner Teil von etwas ganz großem Gemeinschaft erleben können. Diese Frau weiß: Ich brauche diese Menschen. Fußballdeutschland braucht diese Menschen. Und sie weiß, wie sie sie abholen kann. Mit mehr Offenheit den Fans gegenüber, mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung. Sie bringt den Verband dorthin zurück, wo er eigentlich mal stand: in die Mitte der (Fußball-) Gesellschaft. Diese Frau kann aber noch mehr. Sie kann den DFB führen, ohne sich Fehltritte zu leisten, kann wirtschaftlichen und sportlichen Erfolg wieder dauerhaft etablieren und den Nachwuchs fördern und stärken. Unter ihrer Präsidentschaft wächst auch die internationale Anerkennung enorm, man gewinnt mit allen Nationalmannschaften auf allen Ebenen internationale Turniere, Welt- und Europameisterschaften, die Olympischen Spiele. Eine erfolgreiche Zeit für Deutschland und den Fußball.

Und natürlich darf ihr Kernthema nicht fehlen. Sie ist eine Frau, war selbst lange Profispielerin und hat sowohl in der Nationalmannschaft gespielt als auch sie trainiert. Der Frauenfußball, das hat sie bereits von Anfang an versprochen, darf und muss weiter wachsen, an gesellschaftlicher Akzeptanz und internationalem Prestige gewinnen. Während ihrer Amtszeit entwickelt sich die deutsche Frauen-Liga zur besten in ganz Europa, Spielerinnen aus aller Welt wollen unbedingt einmal im Trikot des SC Sand auflaufen und gegen die ganz großen aus Meppen und Potsdam spielen. Deutschland wird, nicht nur sportlich, zum Aushängeschild für Gleichberechtigung und gemeinsamen sportlichen Erfolg.

Neue DFB-Präsidentin: Nur ein Traum?

Keine Frage, frischen Wind würde eine Frau an der Spitze des größten Sportverbandes der Welt sicherlich bringen, auch wenn diese Ausführungen vermutlich wirklich eine Utopie bleiben werden. Eine schöne, nichtsdestotrotz, aber eine unwahrscheinliche. Aber warum eigentlich? So unrealistisch wirkt das ganze doch gar nicht. Klar, eine solche Entscheidung wäre vor allem ein Zeichen an alle großen Unternehmen und Verbände Deutschlands, mitten in die Gesellschaft hinein, eines das zeigt: Die Zeit ist reif! Wir wollen allen Frauen und Mädchen sagen: Wir zählen auf euch! Wir brauchen euch! Wir sehen und hören euch! Ohne euch geht es nicht!

Damit würde man auch den starken Aufwärtstrend, den der deutsche Frauenfußball in den letzten Jahren verzeichnet, honorieren und gleichzeitig den Grundstein legen, dieses Feld weiter zu fördern und auszubauen. Denn nicht nur sportlich gilt: Männer und Frauen haben unterschiedliche Herangehensweisen, sehen unterschiedliche Dinge und die Dinge oft unterschiedlich. Das heißt aber nicht, dass die eine oder der andere (mehr) Recht hat. Im Gegenteil: Es bringt viel mehr, die individuellen Stärken zielgerichtet einzubringen und auch mal eine andere Richtung einzuschlagen. Das gehört zum Lernen dazu. Auf wie neben dem Platz.

Vielen würde dieser Vorschlag jedoch auch Angst machen, besonders denen, die seit vielen Jahren alles so kennen, wie es ist, und davon profitieren, dass es so ist. Kein Wunder, dass sie der Meinung sind, wenn alles beim alten bliebe wäre alles prima. Aber so funktioniert es halt auf Dauer nicht. Zukunft muss auch erdacht und geschaffen werden. Und das geht nur mit Veränderung.

Angela Merkel for President

Immerhin, eine prominente Frau wurde schon vorgeschlagen, und zwar von Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger. Der ARD-Fußballexperte meinte, tatsächlich mehr im Scherz, er „kenne auch eine erfahrene Dame, die ist ab Oktober frei“. Gemeint ist natürlich Angela Merkel, die amtierende deutsche Bundeskanzlerin beendet nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 ihre politische Karriere. Dass sie danach den DFB durch die Krise und aus ihr heraus führt ist jedoch schwer vorstellbar. Geeignetere Kandidatinnen wurden jedoch bislang öffentlich kaum diskutiert, lediglich bei den Männern fehlt es nicht an möglichen Kandidaten. So wurden neben Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß auch Hans-Joachim Watzke und Christian Seifert vorgeschlagen. Schweinsteiger könnte sich auch seinen Ex-Kollegen Phillip Lahm in dieser Position vorstellen, der aktuell das Planungsteam für die EURO 2024 leitet und bereits Mitglied des DFB-Präsidiums ist.

Sucht man nach ähnlich großen Namen aus dem Frauenfußball, so stößt man unweigerlich auf Persönlichkeiten wie Birgit Prinz, Silvia Neid, Steffi Jones und Martina Voss-Tecklenburg, letztere ist aktuell allerdings noch als Trainerin der Nationalmannschaft der Frauen für den DFB tätig. Alle vier Frauen haben sich sowohl in ihrer aktiven Karriere als auch danach um den deutschen Fußball und im speziellen den Frauenfußball verdient gemacht und kennen den DFB als Institution, drei von ihnen als Nationaltrainerin. Sie alle hätten die Fähigkeiten den Verband zu leiten und aus der Krise zu führen. Über keine von ihnen wird im Zusammenhang mit der Neubesetzung des DFB-Präsidiums gesprochen. Das ist genau das Zeichen, was der DFB und der deutsche Fußball NICHT gebrauchen können.


Dieser Artikel ist Teil unserer Utopie-Reihe. Dabei spielen wir Zukunfts-Szenarien durch, die eine mögliche Wendung oder Entwicklung im Frauenfußball darstellen. Wichtig ist, dass diese NICHT eintreten muss und die Informationen NICHT wahr oder richtig sind, sondern als Fundament für eine Fantasie gelten.

Denn alte gesellschaftliche Muster brechen wir nur auf, indem wir kritische Themen ansprechen, den Staus Quo überdenken und neu definieren. Das ist das Ziel von Flankengöttinnen. Wir schaffen eine Plattform, die es dem Frauenfußball erlaubt, an gesellschaftlicher Anerkennung zu gewinnen und nicht nur auf Klischees und Vorurteile fokussiert ist.

Beitrag teilen

Alexandra Popp
von Johanna Grimm 4. August 2023
Alle, die es mit Deutschland gut meinen, haben sich diese Weltmeisterschaft anders vorgestellt und erfolgreicher gewünscht. Doch was sind die Gründe für das frühe WM-Aus?
DFB-Spielerinnnen im Trainingslager
von Jonathan Krech und Johanna Grimm 20. Juli 2023
Diese Gegnerinnen erwartet das deutsche Team bei der WM 2023 innerhalb Australien und Neuseeland in der Gruppenphase.
Die deutsche Mannschaft feiert mit ihren Fans.
von Jonathan Krech 6. August 2022
Das Finale ging verloren, die EM war aber ein echter Erfolg. Was wir mitnehmen können (und sollten).
Share by: